Während die COVID-19-Pandemie und die große Kündigungswelle die globale Belegschaft verändern, haben viele Menschen das Gefühl, dass ihre Karriereentwicklungschancen schwinden. Tatsächlich zeigen Umfragetrends von Gallup aus den Jahren 2020 und 2021, dass sich der Anteil der Befragten, die mit ihren Aufstiegschancen „völlig unzufrieden“ sind, von 5 auf 10 Prozent verdoppelt hat.
Unternehmen, die Top-Talente ansprechen und halten möchten, erkennen, dass Aufstiegschancen nicht länger als Luxus oder Vergünstigung gelten, sondern in jeder Phase der Teamentwicklung – von der Rekrutierung und Einstellung bis hin zu Unternehmenskultur und Engagement – Priorität haben müssen.
Im Webinar „Priorisierung von Karriereentwicklung und interner Mobilität im gesamten Werdegang von Mitarbeitenden“ von HiBob erörterten ausgewählte Branchenfachleute, wie wichtig es ist, in wachsenden Unternehmen die Karriereentwicklung im Blick zu haben, und formulierten Tipps und Best Practices zur Umsetzung dieser Ziele.
- Amanda Friedl, ehemalige VP für Strategie bei JazzHR
- Bryce Weinert, Betriebsleiterin bei TeamBuilding
- Kevin Campbell, Personalwissenschaftler und leitender Coach bei Lifted Leadership
Folgende wichtige Erkenntnisse lassen sich aus diesem Gespräch gewinnen.
Personen einstellen, die sich weiterentwickeln möchten
Während eines Einstellungs- oder Telefongesprächs mit Bewerber*innen über ihre nächste Position zu sprechen – also die, die möglicherweise nach der Stelle kommt, für die du sie in Betracht ziehst –, scheint zunächst ungewöhnlich. Doch bereits frühzeitig über interne Mobilität und Karriereentwicklung zu sprechen, ist wichtig, um die richtigen Personen für dein Unternehmen anzusprechen.
Bryce sagt, dass die besten Kandidat*innen, mit denen sie spricht, nicht einfach nur nach einem Job suchen, sondern nach einem Ort, an dem sie eine tiefe Verbindung zur Unternehmenskultur, zu den Zielen oder zum Produkt aufbauen und sich voll und ganz einbringen können.
„Wenn man ihnen Gelegenheit gibt, sich an diesem Arbeitsplatz weiterzuentwickeln“, erklärt sie, „und das von Anfang an offen kommuniziert, setzen sich diese Top-Talente genauso für das Unternehmen ein, wie man sich für sie einsetzt.“
Im hart umkämpften Arbeitsmarkt kann es zudem vorteilhaft sein, mit Aufstiegschancen zu werben.
„Wenn man sich um neue Talente bemüht, möchte man die besten ansprechen“, meint Amanda. „Wenn man also bereits in der Stellenanzeige, beim ersten telefonischen Kontakt usw. die Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens anspricht, zieht man die richtigen Leute an.Außerdem schafft man im gesamten Unternehmen eine Kultur, Mitarbeitende einzustellen, die sich weiterentwickeln möchten.“
Vor allem auf den Karriereseiten ihrer Website können Unternehmen demonstrieren, dass sie sich für Karriereentwicklung einsetzen.
„Werden dort die Auszeichnungen, die Sie in Ihrer Branche erhalten haben, aufgeführt oder Personen, die im Kundensupport angefangen haben, dann in den Bereich Kundenerfolg gewechselt sind und jetzt vielleicht eine ganz andere Position innehaben und dort völlig aufgehen?“,fragt Kevin. „Denn das zählt für Menschen letztlich mehr als Branchenauszeichnungen.“
Und auch wenn das klischeebehaftet ist, schwören Bryce und ihr Team darauf, die oft gefürchtete Frage zu stellen: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
„Wir haben durch diese Frage so viele unerkannte Talente aufgedeckt“, sagt sie, „und konnten Menschen mit den Aufgaben oder Positionen betrauen, bei denen genau diese verborgenen Talente gefragt sind. So konnten die Mitarbeitenden ihre Position selbst mitgestalten.“
Mit Leistungsbeurteilungen eine Kultur der Weiterentwicklung schaffen
Wenn die Neueinstellungen dann an Bord sind, müssen die Versprechen eingehalten werden. Eine standardmäßige HR-Funktion bietet Führungskräften die einzigartige Gelegenheit, aktiv an der Kultur der Weiterentwicklung mitzuarbeiten: die Leistungsbeurteilung.
Beurteilungen können stressig sein, doch Bryce meint, dass man durch einen entsprechenden Rahmen ein ausgeglichenes Gespräch erzielt, insbesondere, wenn sich die Selbsteinschätzung zunächst auf Stärken und Errungenschaften konzentriert.
„Man sollte Mitarbeitende nicht nur nach Verbesserungsbedarf oder Bereichen fragen, in denen sie hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, sondern ihnen auch die Möglichkeit geben, sich selbst auf die Schulter zu klopfen“, meint sie.„Wenn man in Erfahrung bringt, wo Mitarbeitende ihrer Meinung nach aufgetrumpft oder gute Arbeit geleistet haben, gewinnt man Erkenntnisse darüber, wofür sie brennen, was sie erreichen möchten und wie man sie bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung unterstützen kann.
Richtig durchgeführte Leistungsbeurteilungen können eine positive Entwicklung anstoßen“, sagt Kevin. „Es gibt einen Zusammenhang zwischen einer guten Employee Experience und guten Leistungen“, erklärt er. „Wenn Menschen bessere Leistungen erbringen, sehen sie ihre Employee Experience in einem besseren Licht. Und wenn sie ihre Employee Experience positiv sehen, erbringen sie bessere Leistungen.Eine der wichtigsten Fragen in Hinblick auf Leistungsbeurteilungen ist daher: Verbessern sie wirklich die Leistung der Mitarbeitenden? In diesem Fall verbessern sie nämlich auch die Employee Experience, was eine echte Positivspirale bewirkt.“
Mit mehreren Beurteilungen pro Jahr mehr Dynamik erzeugen
Bei JazzHR führen Amanda und ihr Team wöchentliche Selbstbeurteilungen durch, die etwa fünf Minuten dauern und Mitarbeitende nach ihrer Woche fragen.
„Vorgesetzten hilft es sehr, die Dynamik im Team zu erkennen“, meint sie.„Außerdem ist es hilfreich für die großen jährlichen Leistungsbeurteilungen, wenn man auf wöchentliche Check-ins zurückblicken kann.“
Bryce beschreibt, wie schwierig es ist, die Leistung, Verhaltensweisen, Lernerfahrungen und Ziele eines ganzen Jahres in einem einstündigen Meeting zu beurteilen. „Solch ein Gespräch kann nicht erfolgreich sein“, meint sie und fügt hinzu, dass sie selbst Leistungsbeurteilungen am liebsten mindestens viermal im Jahr durchführt. „Je mehr Gespräche, desto besser. Dadurch werden sie weniger stressig. Wenn wir uns daran gewöhnen, diese Gespräche zu führen, sind sie umso hilfreicher.“
ZUR WEITEREN LEKTÜRE EMPFOHLEN
Den Aufstieg innerhalb des Unternehmens zur Norm machen
Um die interne Mobilität zu einer Säule des Unternehmens zu machen, kann es schon ausreichen, in einer Richtlinie festzuhalten, dass neue Stellen zunächst intern ausgeschrieben und erst später für eine größere Bewerbergruppe zugänglich gemacht werden.
„Es ist schwierig, stets über neue Kompetenzen der eigenen Mitarbeitenden auf dem Laufenden zu bleiben, besonders in einem wachsenden Unternehmen“, meint Amanda. „Doch wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, sich als Erste zu bewerben und den Vorzug zu erhalten, sieht man immer, wer sich hervortut, wer an Weiterentwicklung interessiert ist.“
Bryce empfiehlt, noch einen Schritt weiter zu gehen, um Informationen zum aktuellen Personal zu erhalten. Sie selbst nennt diese Umfragepraxis scherzhaft „Tinder-Profil“.
„Auf welche Bereiche legen sie besonderen Wert?“, fragt sie. „In welchen Bereichen würden sie gerne zum Wachstum beitragen? Welche außergewöhnlichen verborgenen Talente haben sie? Welche Interessen haben sie, was mögen sie, was nicht?Wenn sich dann neue Chancen im Unternehmen auftun, haben wir diese interessanten Daten, die wir heranziehen können, um zu sehen, ob es intern passende Kandidat*innen gibt.“
Vorgesetzte dazu anhalten, sich für Weiterentwicklung einzusetzen
Vorgesetzte können bei der Karriereentwicklung ihrer Teammitglieder eine entscheidende Rolle spielen.
„Als Vorgesetzte*r muss man sich auch als Karrierecoach betrachten“, so Kevin.„Vielleicht war man sich dessen nicht bewusst, als man die Stelle angenommen hat, doch als Vorgesetzte*r muss man seinen Leuten dabei helfen, den nächsten Schritt zu definieren und die Verbindung zwischen diesem nächsten Schritt und den alltäglichen Aufgaben herzustellen.“
Es klingt vielleicht kontraproduktiv, ein Teammitglied zu ermutigen, sich weiterzuentwickeln und damit für andere Stellen zu qualifizieren, meint er. Doch als leitender Coach hat er die Erfahrung gemacht, dass solche Gespräche über Entwicklung dazu führen, dass Mitarbeitende länger im Unternehmen bleiben.
Amanda erklärt, es sei wichtig für Mitarbeitende, zu wissen, dass ihre Vorgesetzten auf ihrer Seite sind und ihnen helfen, neue Verantwortungsbereiche zu übernehmen oder neue Chancen wahrzunehmen und sich in eine neue Richtung zu entwickeln.
„Es geht darum, eine ehrliche Kommunikation mit dem Team zu pflegen“, sagt sie, „sich anzuhören, was die Menschen möchten, und sich dafür einzusetzen und zu versuchen, sie bei diesem Entwicklungsschritt zu unterstützen. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, aber es ist wichtig für das Teambuilding und trägt offen gesagt auch zur Mitarbeiterbindung im Team bei, wenn alle wissen, dass man sich für sie einsetzt.“
Bryce teilt ihrem Team ihre Prioritäten ganz offen mit, insbesondere in Hinblick auf Entwicklungsgespräche.
„Ich habe meinen Mitarbeitenden gesagt, es ist ganz egal, wie viel man in einem Job verdient oder wie viele Stunden man arbeitet“, erklärt sie. „Wenn man nicht in seiner Weiterentwicklung gefördert wird, ist es kein guter Job. Letztendlich ist es auch schlecht für das Unternehmen, denn wenn Mitarbeitende nicht vorankommen können, werden sie unzufrieden und kündigen schließlich.Wenn man Weiterentwicklung fördert und Mitarbeitende darin bestärkt, den nächsten Schritt zu gehen, hat man zufriedeneres Personal.“
Dieser Artikel basiert auf der Gruppendiskussion zum Thema „Priorisierung von Karriereentwicklung und interner Mobilität im gesamten Werdegang von Mitarbeitenden“.Sieh dir das gesamte Webinar an, um mehr darüber zu erfahren, wie du eine Kultur der Weiterentwicklung in deinem Unternehmen schaffst.
Von Shelby Blitz
Shelby ist Director of Content bei HiBob und hegt eine Leidenschaft fürs Schreiben und Storytelling. In einem anderen Leben war sie Musik-Journalistin. Wenn sie nicht gerade am Schreiben oder Überarbeiten ist, findet man Sie in der Küche, wo Sie süße Leckereien bäckt.