In den letzten beiden Jahren haben Unternehmen weltweit Homeoffice- und hybride Arbeitsmodelle dauerhaft übernommen. Doch haben Führungs- und Managementteams die nötigen Kompetenzen, um ihre dezentralen Teams effektiv zu führen? Unternehmen setzen immer mehr Richtlinien dazu auf, wie Remote- und hybride Arbeitsmodelle erfolgreich umgesetzt werden können. Gleichzeitig müssen Vorgesetzte in allen Branchen versuchen, ihre Teams aus der Ferne zu führen, und eignen sich entsprechende Kompetenzen an.

Wir haben uns mit Dr. Laura Hambley Lovett, Arbeitspsychologin und Präsidentin/Mitbegründerin von Work EvOHlution, getroffen, um besser zu verstehen, welche Tools und Kompetenzen Vorgesetzte benötigen, um hoch engagierte, dezentrale Teams optimal zu führen.

F: Welche Herausforderungen bringt das Management eines Remote-Teams mit sich?

Als die größten Herausforderungen beim Management von Remote-Teams habe ich im letzten Jahrzehnt folgende ausgemacht: 

  1. Vertrauensaufbau: Für Vorgesetzte ist es schwierig, Vertrauen im Team aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Aus der Ferne lässt sich Vertrauen nur schwer aufbauen und leicht wieder zerstören.
  2. Potenzielles Risiko von Überarbeitung und Burnout: Es liegt in der Verantwortung von HR-Führungskräften und Vorgesetzten, eine gesunde Unternehmenskultur zu fördern, bei der die Work-Life-Balance und das Wohlbefinden im Mittelpunkt stehen. Burnouts sowie lange Arbeitstage mit wenigen Pausen kommen häufiger vor.
  3. Fehlkommunikation bei der Remote-Arbeit: Es ist die Aufgabe der Vorgesetzten, die Kommunikation an die Anforderungen des Teams und die einzelnen Mitglieder anzupassen. Wie häufig Kommunikation stattfinden sollte und über welche Wege, ist individuell unterschiedlich. Als remote arbeitender Vorgesetzte*r muss man auf vielfältige Weise mit den Teammitgliedern kommunizieren.

F: Was sind die drei häufigsten Fehler bei der Kommunikation, die Vorgesetzte in Bezug auf Remote-Arbeit machen?

  1. Missverständnisse: Einer der häufigsten Fehler von Vorgesetzten ist, zu erwarten, dass ihre Botschaft immer richtig verstanden wird. Vieles geht unterwegs verloren. Bei der Remote-Arbeit ist die Lücke zwischen Absicht und Wirkung ein häufiges Problem. Vorgesetzte müssen sich bei jeder Kommunikation ganz klar ausdrücken, um das gegenseitige Verständnis zu gewährleisten. Sie sollten niemals Mutmaßungen anstellen.
  2. Übermäßig viele Meetings: Bei der Arbeit mit dezentralen Teams investieren Vorgesetzte häufig zu viel Zeit und Energie in Meetings. Bevor man ein Meeting ansetzt, sollte man folgende wichtige Punkte bedenken: a) Ist ein Meeting wirklich nötig? b) Wer muss unbedingt teilnehmen? c) Wie sieht die Tagesordnung aus und können Vorgesetzte sie 24 Stunden im Voraus versenden? d) Während des Meetings sollten klare Ergebnisse festgelegt und innerhalb von 24 Stunden nach Ende des Meetings mit dem Team geteilt werden.
  3. Der richtige Kommunikationskanal: Vorgesetzte müssen genau wissen, welches Kommunikationsmedium oder -tool sie für welche Zwecke nutzen möchten. Wir bei Work EvOHlution nennen das Konzept „Abgleich von Kommunikation und Medium“. Teamleiter*innen sollten genau überlegen, wann Videokommunikation notwendig ist, wann sie Sofortnachrichten oder E-Mails verwenden und wann Slack oder Teams die beste Wahl ist.Wir verfallen häufig in Gewohnheiten und Muster, die vielleicht ineffizient oder nicht optimal sind, um zu kommunizieren oder zusammenzuarbeiten.

F: Was können Unternehmen tun, um ihre Vorgesetzten bei der Remote-Arbeit zu unterstützen?

Remote-Management erfordert neue Kompetenzen und Verhaltensweisen. Es ist schwieriger, als ein Team zu führen, das sich an einem zentralen Ort befindet. Unternehmen, die das richtig angehen möchten, investieren in die Weiterentwicklung von Vorgesetzten zu kompetenten Remote-Führungskräften. Die Weiterentwicklung setzt sich im Idealfall aus Lernen von Fachleuten und „learning by doing“ zusammen. Für Unternehmen können Beurteilungen hilfreich sein, um die Stärken und Kompetenzlücken von Vorgesetzten in Bezug auf das Remote-Management aufzudecken und bei Bedarf Entwicklungsprogramme anzubieten. Unser „Distributed Leader Profiler“ ist ein gutes Beispiel dafür, was vielen Führungskräften und Unternehmen weltweit helfen kann.

F: Wie können Vorgesetzte mehr Vertrauen in ihre Remote-Teams entwickeln und welche Tools sind dafür empfehlenswert?

Um Vertrauen aufzubauen, sollte man seine Mitarbeitenden zunächst besser kennenlernen. Wie sieht ihr Leben aus? Vor welchen Herausforderungen stehen sie? Was motiviert sie bei der Arbeit? Wir nehmen uns viel zu oft nicht die Zeit, den Menschen zu sehen, und konzentrieren uns nur auf Aufgaben und Ergebnisse.

Wenn Leistungen erbracht werden, sollten wir das Engagement würdigen. Wenn wir einen Abgabetermin nicht einhalten können, müssen wir das mitteilen! Wir sollten andere nicht einfach auflaufen lassen, da das bei der Remote-Arbeit zu einem echten Vertrauensverlust führen kann. Wir haben keine Gelegenheit, das Problem mit der Person zu besprechen, wenn wir ihr zufällig begegnen.

F: Wie können Vorgesetzte mit ihrem Team in Verbindung bleiben und die Mitarbeiterbindung trotz Remote-Arbeit steigern?

Sie sollten regelmäßig und auf verschiedene Arten kommunizieren. Zwischendurch kurz „Hallo“ zu sagen ist sehr wichtig.  Melde dich nicht nur, wenn du etwas brauchst. Wie jede Beziehung muss auch diese gepflegt werden, indem man nachfragt und sich dafür interessiert, wie es dem anderen ergeht. Eine der wichtigsten Fragen, die Vorgesetzte stellen können, ist: „Wie kann ich dich unterstützen?“

Top-Tipp von Dr. Laura Hambley Lovett

„Jede Woche bietet Gelegenheit, eine bessere Führungskraft zu werden. Überlege, was du tun kannst, um besser mit jedem direkt unterstellten Remote-Mitarbeitenden zu kommunizieren, setze es um und achte darauf, wie gut es funktioniert. Nimm dir jeden Freitag Zeit, zurückzublicken, und plane dann für die nächste Woche. Führung entwickelt sich im Laufe der Zeit durch aufmerksames, absichtsvolles Verhalten.“

Dr. Laura Hambley Lovett ist Unternehmenspsychologin sowie Mitbegründerin und Präsidentin von Work EvOHlution, das innovative Beurteilungs- und Entwicklungslösungen für Remote-Mitarbeitende bietet. Hör dir ihren Podcast an, in dem sie Wege aufzeigt, eine gute Work-Life-Balance zu schaffen und zielstrebig durchs Leben zu gehen. 


Shiran Yaroslavsky

Von Shiran Yaroslavsky

Shiran Yaroslavsky is the VP Product US at HiBob. She is the former CEO and Co-founder of Cassiopeia (acquired by HiBob), a startup that helps managers lead teams effectively with data. Shiran is a thought leader in people analytics and remote team leadership. She was featured in 2019 in Forbes’ 30Under30 list in Israel.